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Preisfindung - ohne Stundensätze
“Was kostet es?”, fragt der Kunde. Diese Frage erfüllt Kreative oft mit Unbehagen. Eine angeblich “leichte” Antwort verspricht seit vielen Jahrzehnten der Stundenverrechnungssatz (Stundensatz) in Verbindung mit dem wahlweise vorab “geschätzten” oder rückwirkend gemäß Zeiterfassung und Stundenzettel abgerechneten Zeitaufwand. Die Stundensatz-Kalkulation ist die vorherrschende Methode der Preisfindung in vielen Branchen – so auch in der [Kreativwirtschaft]. Kalkuliere Deine “Kosten”, denn diese müsse der Kunde bezahlen, heißt es. Aber sind die “Kosten” des Anbieters wirklich der Grund, warum Kunden handeln? Und ist es wirklich “leicht” und gut, seine Preise über Stundensätze zu rechtfertigen? Wie gelingt eine Preisfindung ohne Stundensätze?
Diese Methode weist viele grundlegende Mängel auf, denn sie führt bei handelnden Menschen zu widerstreitenden Interessen. Ein Beispiel? Während es aus Kundensicht erstrebenswert ist, möglichst schnell und bestmöglich Hilfe und Problemlösung zu erfahren, führt dies dazu, dass es für Anbieter vorteilhaft erscheint, länger zu brauchen, denn dies würde ja die potentiell abzurechnenden Zeitaufwände erhöhen. Anders gesagt: In der Welt des Stundensatzes würde die schnelle und unmittelbare Problemlösung, die den Kunden sofort weiter bringt und hilft, einen vermeintlich niedrigeren Preis (weil niedriger Zeitaufwand) begründen. Ein unauflösbarer Widerspruch. Und die Keimzelle von wechselseitigem Misstrauen.
Damit ist der erste Mangel auch bereits angesprochen: Er liegt in einem falschen Verständnis von Wert, das die Zeitaufwände und Kosten des Anbieters dramatisch überschätzt, und – was der Hausverstand längst erkannt hat – übersieht, dass es Zeichen von Können ist, mit der richtigen Idee im richtigen Moment zur richtigen Zeit das Problem des Kunden bestmöglich zu lösen. Die dem Stundensatz zugrundeliegende Annahme, dass Wert durch Arbeitskraft und Zeitaufwand bestimmt sei, wurde bereits im 19. Jahrhundert entkräftet. Wert liegt im Auge des jeweiligen Betrachters und ist damit stets eine subjektive Wertung im gegebenen Moment und Situation – stets unter Abwägung anderer Möglichkeiten und Alternativen. Der Stundensatz gaukelt hier lediglich eine Objektivität vor, die es niemals im menschlichen Handeln und Entscheidungen geben kann. Anders gesagt: Wenn Du gerade keinen Hunger auf einen Apfel hast, sind Dir die “Kosten” und “Aufwände” des Anbieters egal – Du wirst schlicht keinen Apfel kaufen.
Wer sich auf die eigenen vermeintlichen “Kosten” und Aufwände bei der Preisfindung beruft, übersieht dabei regelmäßig, was es bedeutet, den potentiell für den Kunden aus dessen Sicht zu schaffenden Wert zu verstehen. Dies erschwert nicht nur das Finden eines wirkungsvollen Angebotes, sondern auch die Schaffung einer vertrauensvollen Grundlage einer möglichen Zusammenarbeit, denn diese wird aus diesem Blickwinkel als “Vorleistung” wahrgenommen. Das verhindert letztlich, dass wir uns “Zeit für den Kunden” nehmen – vorausgesetzt natürlich, dass wir uns dafür entscheiden.
Schlimmer noch: Spätestens, wenn der Kunde nach – meist verfrühter und vorschneller (!) Preisnennung – antwortet, das sei aber “viel” bleibt meist nur die trotzige Rechtfertigung, es sei eben “aufwändig” und zudem “fair” kalkuliert. Denn spätestens wenn wir das Spielfeld einer Preisverhandlung betreten, ist jeder Stundensatz “zu hoch”. Und der Zeitaufwand stets “zu lang”. Aus Kundensicht vollkommen verständlich, oder wer hat noch nicht im Autohaus um dem Preis des Fahrzeuges “gefeilscht”? So erscheint die Preisverhandlung des Stundensatzes womöglich für (Ein-)Käufer zwar vordergründig einfacher, aber am Ende gewinnt keiner.
Aber man müsse doch die eigenen Ausgaben decken, dabei müsse man doch seine “Kosten” kennen? Selbstverständlich müssen Selbständige und Unternehmer darauf Augenmerk legen, mehr “einzunehmen” als “auszugeben” und mit den verfügbaren Mitteln und der knappen Lebenszeit bestmöglich haushalten. Und dies mit wachem Blick auf die Gegenwart und etwaige Chancen und Risiken der ungewissen Zukunft mit all ihren Unwägbarkeiten – was im Übrigen für jeden Menschen gilt. Hierbei ist ein klares Verständnis von Ausgaben nötig, aber auch davon, was wir uns beispielsweise von einer Investition in die Zukunft erwarten. Dazu braucht es jedoch keinerlei Umrechnung beziehungsweise Verrechnung in einen Stunden- oder Tagessatz. Anders gesagt: Wer gerade keine Aufträge hat, dem wird auch ein wie auch immer gerechneter Stundensatz kein Trost sein. Und wer sich wiederum über hohe Nachfrage freuen kann, der übersieht, dass Kunden auch “mehr” als nur den Stundensatz gezahlt hätten – hätte er mit jedem einzelnen Kunden individuell ge- und verhandelt. Diese Erkenntnis mag rückblickend vielleicht schmerzhaft sein, bietet aber (noch) unvorstellbare Chancen für die Zukunft. Und es beginnt mit dem nächsten Kundengespräch …
Was ist der bessere Weg?
Ein Handel kommt nur zustande, wenn sich beide Handelnde eine Verbesserung der gegenwärtigen Situation erwarten. Hierfür bedarf es nicht zuletzt das wechselseitige Vertrauen, dass man nichts unversucht lassen wird, um das erwartete Ergebnis zu erreichen. Und womöglich auch das Vertrauen in sich selbst als Anbieter, das sich auch aus vergangenen Erfolgsgeschichten mit anderen Kunden speist. Und gerade diese Erfolgsgeschichten machen wir uns oftmals zu selten bewusst, wiegen doch die vorgeblichen Absagen aufgrund des “zu hohen” Preises oftmals in der Erinnerung schwerer.
Wie findest Du dann den Preis? Die erwartete Problemlösung aus Kundensicht ist nicht nur die Grundlage des möglichen Angebotes, sondern auch – und hier bedarf es auch eine Prise Bauchgefühl und Entdeckerfreude – des Preises. Was kann dabei helfen: Offenheit gegenüber den Problemen des Kunden, welche sich häufig hinter dem geäußerten Wunsch nach einem Logo oder einer Website verbergen. Und dies bedeutet gerade in der Phase des Klärung Zurückhaltung, voreilig über mögliche Lösungen zu sprechen – auch wenn es verlockend erscheinen mag. Geleitet von dem Bewusstsein, dass jeden Kunden die Sorge treibt, die falsche Entscheidung zu treffen, denn diese würde schlimmstenfalls für den Kunden bedeuten, dass er Zeit und Geld sowie die Chance vergeudet hätte, das Richtige und Wichtige zu tun. Das verpasste Weihnachtsgeschäft ist unwiederbringlich verloren und deshalb ein nicht rechtzeitig onlinegeschalteter Onlineshop dramatisch. Ein verpfuschter Website-Relaunch, der einen Absturz bei den Google-Suchergebnissen nach sich zieht, verheerend. Ein über Monate hinweg – aus welchen Gründen auch immer – verzögertes Projekt erzeugt auf Kundenseite womöglich einen großen und schmerzhaften Verlust. Einen Verlust, der sich in entgangenen Umsätzen auf Kundenseite ausdrücken mag, denn dieser hatte ja mit termingerechter Lieferung dieses Projekt (zum Beispiel zu einer Messe) gerechnet und darauf vertraut. Der richtige Moment ist in schnelllebigen Märkten schnell verspielt. Nichts schlimmer, wenn Dein Kunde dann noch von Reue erfasst wird. Und dann kommt auch noch Deine aufwandsbasierte Abrechnung, denn es gab ja “Mehraufwände” …
Das erfordert das gemeinsame Beschreiten dieses Weges hin zu einer verständnisvollen Klärung. Und ja: Das dauert vielleicht anfangs länger, spart aber am Ende Zeit, wenn die Zusammenarbeit gut vorbereitet und Erwartungen jeweils klar sind. Damit senkt eine solche Klärung – ganz nebenbei – auch das Risiko für Dich, denn auch Dir bleiben womöglich Enttäuschungen erspart. Vor allem aber erleichtert es Deinem Kunden die Entscheidung. Dies erfordert ein vertrauensvolles und verständnisvolles, gar mitfühlendes Miteinander und die Kunstfertigkeit, hier in einen gemeinsamen Austausch zu gehen. Einen Dialog. Und auch mögliche Konflikte als wertvoll für einen Erkenntnisgewinn zu schätzen. Eine hohe Verantwortung, aber eine große Chance, mit voller Energie auf die Probleme und bestehender und künftiger Kunden zu schauen. Und garantiert wertvoller und erkenntnisreicher als der starre Blick auf den Stundensatz des vermeintlichen Wettbewerbers und sich von der falsche Annahme, ein Kunde würde allein anhand des niedrigsten Geldpreises entscheiden, blenden zu lassen.
Wie viele Internetseiten müssen noch online gehen, ohne vorher über die Erwartungen zu sprechen? Wie viele Flyer müssen noch gestaltet und gedruckt werden, bis wir erkennen, dass der Flyer Mittel zum Zweck ist, von dem sich der beauftragende Gastronom erwartet (oder vielleicht sogar verzweifelt erhofft), mehr Gäste in sein Restaurant zu führen. Ist es dann der Flyer, oder ist es dann die richtige Verteilung der Flyer? Liegt es vielleicht gar an der Positionierung des Restaurants an der falschen Straßenecke? Oder ein Zusammenspiel aus all diesen möglichen – und noch viel mehr – Einflussgrößen? Oder ist es überhaupt der Flyer, der hier Hilfe erwarten lässt? Lass es uns klären. Lass es uns verstehen. Was erwartest Du Dir, lieber Kunde? Lass uns mögliche Optionen und ihre möglichen Auswirkungen sprechen. Das spätestens erfordert Erfahrung und Können. Deine Erfahrungen. Dein Können. Deine Bereitschaft zu lernen. Und gute Zusammenarbeit. Kannst Du helfen? Willst Du helfen?
Setze die aufwandsbezogene Brille ab, die den Blick auf die Probleme des Kunden vernebelt. Setze die Brille des Kunden auf. So beginnt Wertschätzung. Ist der Wert verstanden, wird auch der Rahmen der möglichen Zusammenarbeit klar, der sich nicht mehr auf “Zeitaufwände” und Stundensätze berufen muss, sondern ein gemeinsames Ziel und Ergebnis im Blick hat, auf das es nun gilt, gemeinsam und mit Begeisterung hinzuarbeiten. Mit einem klar vereinbarten Preis vorab. Und jetzt lass uns loslegen, lieber Kunde. Lass uns liefern.
Markus Hartmann
Markus Hartmann ist Seminarleiter, Berater, Trainer und Redner. Sein Wissen und seine Erkenntnisse teilt er gerne. Und eines ist sicher: Er inspiriert und unterhält gleichermaßen. Vielleicht weil es an der einen oder anderen Stelle so manchen Glaubenssatz kräftig durcheinander rüttelt. Vergiss Deine Stundensätze. Schalt die Zeiterfassung ab. Oder: Controlling ist das Problem nicht die Lösung. Um nur ein paar seiner auf den ersten Blick radikal anderen Themen anzusprechen, die aber bei Lichte betrachtet nur eines Tun: Den Menschen in den Vordergrund stellen und all das klar und deutlich anzusprechen, was wertschaffendes und wirkungsvolles Miteinander be- und verhindert.